Nachwort

Vokabeln wie Form, Farbe und Geste sind in Bezug auf eine Ausstellung von Malerei fast Plattitüden. Sie dennoch als Thema zu wählen, hat gewichtige Gründe. Im Panorama der gegenwärtigen "großen" Weltkunst gibt sogenannte Concept Art den Ton an, der es trotz dieser Bezeichnung viel zu häufig sowohl an Konzepten als auch an künstlerischem Vermögen mangelt. Gegen diesen pseudo-intellektuellen Schwindel stehen viele Namen. Einige davon, nach regionaler Herkunft ausgewählt, zumeist aber überregional bekannt, sind in diesem Projekt vereint. Die Gefahr des Strebens, sich solcher Entleerung zu verweigern, besteht aber darin, in populistische Tümelei abzugleiten. Die Gegenmittel der zehn in dieser Ausstellung versammelten Malerinnen und Maler sind ganz individueller Art, scheinen mir aber vorwiegend in einer kollektiven Erbschaft zu liegen - der des Expressionismus, der gerade in Sachsen eine seiner tiefsten Wurzeln hat. Die Geste steht also im Vordergrund, sich Form und Farbe als Mittel unterordnend. Das Erbe wird aber nicht geplündert, sondern zinsbringend angelegt. Statt einfach da weiterzumalen, wo Schmidt-Rottluff, Heckel und die anderen den Pinsel beiseite gelegt haben, findet eine dialektische Aufhebung in Hegelschem Sinne statt: Aufheben im Sinne von Bewahren, aufheben im Sinne des Hebens auf eine neue (sprich: eigene) Stufe, aufheben aber auch im Sinne des Negierens. So sind hier zehn Handschriften vereint, eindeutig voneinander unterscheidbar, und doch einem gemeinsamen Anliegen verpflichtet.

Dr. Jens Kassner, Chemnitz