Regisseure einer eigenen, manchmal unwirklichen Welt

Zehn Künstler zeigen ihre Werke in der Schau ,,Form-Farbe-Geste" bis 30. Oktober auf der Augustusburg

Von unserer Mitarbeiterin Katja Uhlemann

 

AUGUSTUSBURG. Brand-Erbisdorf brennt. Die Blätter sind bereits von den Bäumen geschmolzen, das satte Grün, das sich noch im Vordergrund durch die Idylle zieht, verdorrt weiter hinten zusehends. Aus der Mulde kriechen feuerrote Hände, die gierig nach den vereinzelt auftauchenden Häuschen tasten. Das Ölbild ,,Brand-Erbisdorf" vom Obergrunaer Maler TM Rotschönberg ist eines der knapp 150 Werke, die derzeit in einer Mammutausstellung auf der Augustusburg präsentiert werden.

Auf den Scheunenböden, zwischen dicken Holzbalken hängend, erwarten die Besucher über 400 laufende Meter Kunst unter dem Titel ,,Form-Farbe-Geste". Zehn Maler, darunter große Namen der Szene, zeigen ausgesuchte Werke, machen die Schau damit zu einer der größten ihrer Art in Deutschland.

Die Vielfalt der Stile, die Verschiedenheit der Techniken ist gewollt. Einziger gemeinsamer Nenner bleibt eine bedingungslose, beinahe rauschhafte Vitalität. Überschäumende Emotionen, Leidenschaften werden auf der Leinwand ausgelebt; Gefühle bis zur Schmerzgrenze durchlitten und widergespiegelt. Die Künstler enthüllen die Seele der Menschen, Schicht für Schicht. Der Betrachter wird mit dem nackten Leben konfrontiert, zur Auseinandersetzung gezwungen.Hans Hendrik Grimmling beispielsweise lotet menschliche Grenzerfahrungen aus. In ,,Wie am anfang umschlungen" verschlingen sich zwei verzweifelte Leiber zu einem kaum noch zu entwirrenden Ganzen; Hände klammern sich aneinander, versuchen festzuhalten was schon längst verloren ist. Gigantisch sind Grimmlings Bilder in den Ausmaßen, bedeutungsschwer in den Inhalten. Schmerz und Schuld sind bestimmende, immer wiederkehrende Elemente. Angela Hampel entdeckt an ihren Figuren mephistophelische Züge. Ihre dargestellten Paare, oft durch nichts weiter verbunden als eine schon animalisch zu nennende Anziehung, werden von Macht getrieben. Andere unterwerfen, sich beherrschen bis zum Tod - in ,,Herz ausreißen" zerbricht eine Frau beinahe an ihren erlittenen Schmerzen, schafft es aber dennoch zu überleben, auch wenn ihr weiteres Dasein kaum mehr als bloßes Existieren sein wird.

Plakativ hingegen Klaus Süß: Der gebürtige Crottendorfer reduziert seine Figuren auf das für ihn Wesentliche, lässt den Protagonisten seiner Bilder keinen Raum, sich zu verstecken. Er entblößt ihre Körper genau so wie ihre Seelen, verwandelt die Welt nach seinem Gutdünken, ist Regisseur einer eigenen, manchmal unwirklichen Realität. ,,Schöpfer der Natur sein, nicht ihr Nachäffer", unter dieser Maßgabe hatte Organisator TM Rotschönberg seine Mitstreiter ausgesucht.Auf ganz andere Weise legt der Freiberger Holger Koch dieses Kriterium aus: Seine Bilder öffnen die Tür zu einer scheinbar gerade aufgezogenen Spielzeugwelt. Genial grotesk sind seine Figuren, traumhaft surreal und doch mit solch erschreckend wahrhaftigen Zügen. Menschen, oder eben das, was man dafür halten könnte, tragen ihr Herz in der Hand. Spatzen schwingen die Peitsche, Telefonhörer bekommen Gesichter. Alles Dingliche scheint zum Leben zu erwachen, sich seinen Platz in der Welt zu erobern. Die symbolträchtigen Bilder geraten zum skurrilen Sammelsurium gesellschaftlicher Querköpfe.

Gegen den Strom der erzwungenen Modernität schwimmen, dieses Credo erfüllen auch die restlichen ausstellenden Künstler mit Hingabe: Steffen Fischer, Stefan Plenkers, Christine Schlegel, Andreas Dress und Mandy Hermann-Amrouche tauchen in ihre Sujets ein, loten sie bedingungslos aus. Jeder Besucher hat die Freiheit zu wählen. Voraussetzung: Er lässt sich ohne Vorbehalte auf die Werke ein.

,,Form-Farbe-Geste,, ist bis zum 30. Oktober auf der Augustusburg zu sehen. Geöffnet ist täglich von 9 bis 18 Uhr.