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120 Werke aus 25 Jahren Malerei von

TM Rotschönberg

 

19. Juni - 08. August 2010

Eröffnung am 19. Juni 2010 um 11 Uhr

Sie sind herzlich eingeladen.

Budapest: Gellert-Hotel II, 210 x 190, 2007

 

 

1961 in Karl-Marx-Stadt geboren
seit 1985 regelmäßige Einzelausstellungen
seit Promotion in organischer Chemie 1990 freischaffender Maler

 

Bergmannweg 10, 09603 Großschirma

037324-7524

rotschoenberg@freenet.de

www.rotschoenberg.de

 

Rotschönberg bei einer Führung, links „Großer Garten von Canee"

 

Abschrift einer Sprachaufzeichnung bei einer Führung in der Ausstellung Malerei TM Rotschönberg im Juli 2009 (gekürzt)

 

Mich beschäftigt seit etwa 20 Jahren das Anliegen, eine Synthese in der Malerei zu erarbeiten. Ich denke, daß die stilistischen Errungenschaften in ihren jeweiligen Anfängen und Durchbrüchen immer auf einer Analyse der gestalterischen Mittel beruhen, wobei, wie das für eine Analyse typisch ist, jeweils ein Aspekt ins Zentrum der Untersuchung gerückt wurde unter Unterdrückung der anderen Mittel. Das ist ganz legitim, so kommt man zu Erkenntnissen, und nebenbei kristallisiert sich eine neuartige künstlerische Form heraus. Ob es die Zerlegung der Mischfarben in reine Spektralfarben und deren Wiedermischung im Auge ist, was auf Kosten scharfer Körpergrenzen geht, wie beim Impressionismus oder im Gegenteil die Optimierung der Eleganz der Kontur wie beim Jugendstil, ob es die Etablierung der Farbe als Materie und ihr gestenreicher Auftrag wie beim Informel unter Totalaufhebung der Form oder die ausbalancierte Statik des Werkes im Konstruktivismus ist, immer werden Gestaltungsmittel so extrem erweitert, daß man schon von Neuerfindungen sprechen kann. Es ist dabei weniger eine künstlerische als eine psychologisch-politisch-wirtschaftliche Frage, daß es damit zur Herausbildung solcher relativ dauerhaften, die Gesellschaft erfassenden, Stilepochen kommt. Denn die Protagonisten eines neuen Stils können sich nicht lediglich mit der Erkenntnis zufrieden geben. Der um Lebensunterhalt und Anerkennung kämpfende Künstler muß Einfluß gewinnen und wenn ihm das gelingt, springen die Massen auf den fahrenden Zug auf. Dann erst tritt der Stil in Erscheinung und wird manchmal bis zum Manierismus ausgebeutet. Er wird zu einer oft wiederholten Formel, deren eigentlicher Ausgangspunkt im Vergessenen liegt. Wird im Nachhinein die Kunstgeschichte nur beschreibend betrieben, ohne die treibenden Kräfte der Entwicklung zu untersuchen, stellen sich uns die früheren Epochen als etwas Abgeschlossenes dar, veraltet, überwunden. Dabei wird übersehen, welches reichhaltige gestalterische Instrumentarium sich akkumuliert hat. […]

Neben dem Diktat des Kunstmarktes, ständig Neues zu schaffen, gibt es immer wieder Bestrebungen, bereits Bekanntes aber Unterschiedliches oder Entgegengesetztes zu fusionieren. Hierbei liegt der qualitative Unterschied darin, ob das Resultat eine Mischung oder eine Synthese ist. Die postmoderne Kultur hat uns viel Stilmix beschert und auffällig daran ist, daß die Quellen sichtbar bleiben, daß das Resultat heterogen ist, also Brüche aufweist, Grenzflächen im Inneren. Die Synthese hingegen verschmilzt nicht die Erscheinung, sondern das Wesen, das heißt die Durchdringung muß viel inniger sein, und vor allem muß man zuerst durch die Erscheinung der zu verschmelzenden Dinge in deren Wesen dringen und es verstehen. Es drückt sich eben durch die Brille der bürgerlichen Ideologie, die immer Unabhängigkeit mit Freiheit verwechselt, z.B. im Begriff Informel nur aus, wovon die Kunst sich befreit hat — nämlich von der Form — und nicht wozu. Die eigentliche Erkenntnis der informellen Kunst liegt meines Erachtens in der Behandlung der Farbe als Materie. Eine Materie, die gespritzt, gespachtelt, mit groben Werkzeugen und mit heftiger Entschlossenheit aufgetragen wird und so den Malprozeß konserviert. Man könnte es als ein „Kinetogramm" bezeichnen. Die Austilgung der Form ist lediglich das Opfer, welches gebracht werden mußte, um zur Erkenntnis zu gelangen. Demnach dürfte also die Wiedereinführung der Form, selbst einer sehr prägnanten, in die informelle Malerei nicht nur möglich sein, sondern könnte sogar auf eine dialektische Weise deren Wirkung noch verstärken. Denn wenn es gelingt, die schnelle Geste so in den Griff zu bekommen, daß sie gleichzeitig spannende Formen aufbaut oder sich an den Grenzen gedachter Formen beherrscht, ergeben sich eindrucksvolle Verweise auf die mögliche Koexistenz von Wildheit und Planung.

Der Konstruktivismus ist uns meistens in seiner geometrischen Ausprägung entgegengetreten, bei der die bildstabilisierende Statik, einer bestimmten Formel gemäß, Formen und Bezüge von Formen, wozu auch serielle Strukturen gehören, entwickelt. Aber auch hier ist es so: wichtig ist doch beim Konstruktivismus nicht, daß er als solcher sofort in Erscheinung tritt, sondern, daß er dem Kunstwerk die wichtigsten Grundeigenschaften verleiht — wie bei einem Gebäude; es beruht auf einer Statik, die wir auch intuitiv spüren, obwohl wir nur die Fassade sehen. Solche grundsätzliche Eigenschaft kann bei einem Bild z. B. darin bestehen — und das halte ich für eines der wichtigsten Dinge —, daß dem Bild eine Spannung verliehen wird. Spannung ist der Zustand einer gefährlichen Ruhe, die Anhäufung von Potenzialen, die kurz vor dem Ausbruch stehen. Das ist allerdings nicht die einzige Grundeigenschaft. Ansonsten kann ein Bild auch entspannt, dynamisch oder nervös sein. Um das jeweilige bewußt zu erzeugen, kann der Künstler sich konstruktivistischer Ideen bedienen.

Wenn ich gesagt habe, mich interessiert die Synthese, dann möchte ich das hier einmal an einem Beispiel erläutern. Wenden Sie sich bitte diesem Bild zu! Hierbei handelt es sich um ein Gemälde mit einer farblich konstruktivistischen Ausgangsidee, die in einem anschließenden Improvisationsprozeß soweit deformiert wurde, daß sie das Bild gerade noch trägt, aber selbst nicht mehr erkennbar ist. Und während dieser Improvisation, die als abstraktes Bild startet, beginnen sich, anfangs zufällig, Zeichen herauszukristallisieren, die sich im weiteren Verlauf zunehmend zu einer Landschaft verdichten. Der indifferente Aspekt zwischen landschaftlich und abstrakt ergibt sich daher nicht wie beim Expressionismus (der von einer konkreten Landschaft ausgeht) aus der Deformation, die abstrahierend fortschreitet, sondern aus einer „Verlandschaftlichung" eines völlig abstrakten Bildes bis zu einem bestimmten Punkt. Dieser kann je nach Bedarf und Lust mehr im Abstrakten oder im Landschaftlichen liegen.

                                      

Entwicklung des Bildes „Garten von Canee"

Im Einzelnen war die Überlegung folgende: Wenn ich eine Fläche in der Horizontalen mittig teile und die obere Hälfte mit Gelb fülle und die untere Hälfte mit deren Komplementärfarbe, also einem Violett, müßte eigentlich durch den Simultankontrast das Violett in seiner Umgebung, und damit auch auf dem Gelb, ein weiteres Gelb im Bewußtsein erzeugen und ebenso müßte die gelbe Fläche auf der violetten ein weiteres Violett erzeugen, so daß an der Zonengrenze sich beide Farben zu stärkerer Leuchtkraft steigern sollten. Eigenartigerweise findet dies aber nicht statt. Ich habe das am Computerbildschirm überprüft. Vermutlich liegt das daran, daß man beide Farben zugleich wahrnehmen kann und deswegen die Ursache für den Simultankontrast, nämlich die Kompensation der jeweils gesehenen Farbe durch ihr Komplementär, nicht nötig ist, da bereits eine die andere kompensiert. Nun beschäftigte mich die Idee, ob ich diese Zonengrenze nicht doch zum Leuchten bringen kann, indem ich die gelbe Fläche in ein Kontinuum transformiere vom Gelb zum Rot, wobei aber der Rotzuwachs nicht linear sondern stark progressiv erfolgt. So daß das Gelb immer noch den größten Teil dieser Fläche ausmacht, an das sich eine zunehmend orange schmalere Zone anschließt, die in einer sehr dünnen roten, scharfkantig abschließenden, Linie endet. Das Gleiche habe ich mit der violetten Fläche vorgenommen, die sich über Blau zum Grün entwickelt. Es entsteht dabei eine Situation einer äußerst zusammengepreßten Frontlinie, auf die vom jeweiligen Hinterland durch dessen Steigerung ein Schub ausgeübt wird. Diese Rot-Grün-Linie wird durch derartige Verhältnisse zur äußersten Leuchtkraft erregt. Das kann man überprüfen, indem man genau den Rot- und Grün-Ton von der Front nimmt und jeweils beide Hälften vollflächig damit ausfüllt. Es kommt ebenso wie bei Gelb/Violett nicht zu einer leuchtenden Grenzzone. Schon dieses formalistische Experiment könnte ein ausreichendes Bildmotiv sein. Allerdings reizt mich weder als Künstler die Schaffung eines solchen Gebildes noch würde ich als Rezipient lange Gefallen daran finden. Ich finde es gut, wenn ein Bild mehrere Ebenen hat; sich z.B. über diese konstruktivistische Ebene noch eine weitere Ebene legt, die von einer Handschrift geprägt ist, eine Handschrift, die mehr oder weniger heftig ist und über das Temperament des Künstlers Auskunft gibt und das grobe Skelett der Konstruktion mit weiteren Formen bereichert und letztlich noch eine Ebene, in der landschaftliche Bezüge entstehen. Also habe ich in diesem Fall die Frontlinie deformiert, so daß sie nicht mehr gerade ist, sie ins gegnerische Land eindringt, zum Teil weit eindringt, und dort das Land sich hinter der Front wieder verschließt auf diese Weise Enklaven bildend. Dieser Prozeß, der improvisierend erfolgt, kann einem gesetzmäßigen Algorithmus gehorchen oder spielerischer Natur sein. Hier habe ich einfach beobachtet, was passiert, wenn ich sukzessive meine Ausgangsidee teilweise wieder zerstöre, aber eben nur soweit, daß sie hintergründig noch vorhanden bleibt und dem Bild den Charakter verleiht. Bei der Improvisation habe ich das Gefühl, daß das erst der Prozeß ist, der dem Bild das eigentliche Leben einhaucht. Das Bild wird dabei immer lebendiger und reichhaltiger. Und man kann durch das ständige Überarbeiten auch noch viele Fehler ausmerzen. Dennoch denke ich, daß die Ausgangsidee der entscheidende Punkt ist, denn nur Lebendigkeit und Reichhaltigkeit und selbst auch Fehlerlosigkeit ergeben noch kein starkes Bild, wenn ihm der klare Charakter fehlt. Wobei das nicht nur für ein Bild gilt. Stellen Sie sich mal einen Menschen vor, der lebendig und reichhaltig und fast auch noch fehlerlos ist, dem es allerdings an einem markanten Charakter mangelt, was halten Sie von dem? Zurück zum Bild. Irgendwann kam der Moment, wo sich die Formen als Bäume mir zeigten und eine Horizontlinie feststand. Dann kamen noch ein paar weitere landschaftliche Zutaten und ganz am Ende ein Titel: „Garten von Canee". Canee ist eine Wortschöpfung, das gibt es in Wirklichkeit nirgendwo. Auf diese Weise erhält ein eigentlich abstraktes Bild einen zusätzlichen gegenständlichen Sinn. Ich glaube, ich bin dabei nicht revisionistisch motiviert. Ich kann mir aber vorstellen, daß mancher sich fragt, warum muß denn der Künstler wieder zur Landschaft kommen? Die Frage rührt auch ein bißchen daher, daß uns suggeriert wird, ein abstraktes Bild sei intellektueller als ein Landschaftsbild. Also, warum mache ich das? Ich habe dafür zwei Gründe, der eine liegt darin, daß man durch die Interpretationsmöglichkeit Größenverhältnisse schaffen kann und der andere darin, daß man mehr Raumtiefe durch Interpretationsmöglichkeiten erzeugt. Wenn Sie sich z.B. zwei senkrechte Linien im Bild vorstellen, die leicht konisch zueinander gestellt sind, dann wird ihnen relativ schnell klar, daß die eigentlich parallel sind und in den Bildhintergrund deuten. Aber warum passiert das? Weil wir es als Fahrbahn oder Schiene oder Ähnliches interpretieren. Und wenn wir einmal mit diesem Interpretieren angefangen haben, ergeben auch die anderen Elemente einen interpretierbaren Sinn. Dann erkennt man das eine als Brücke, das andere als Fluß — ich rede jetzt von dem Bild „Das grüne Wunder" draußen im Saal — jedes Element für sich ist eigentlich nicht erkennbar. Doch durch eine gegenseitige Kontextbildung erzeugt sich summa summarum eine Landschaft, und vor allem eine, die einen Raum entstehen läßt, der nicht nur weit nach hinten geht, sondern auch schwindelerregende Höhen oder Tiefen aufweist. Und hier sind wir schon beim nächsten, nämlich bei den Größenverhältnissen. Setzt man z.B. einen verhältnismäßig großen gelben Block ins Bild, der wie ein Hochspannungszeichen aussieht, und zu seinem Fuß einen blauen Klecks, neben dem eine klitzekleine Kirche steht und nennt das Ganze „Watzmann-Ostwand im Sonnenschein", dann steigt der Betrachter auf diese Größenverhältnisse ein und sieht die gelbe Fläche überragend groß, auch wenn das Bild selbst klein ist. Ich finde, daß solcher Art Bezüge die künstlerischen Mittel erweitern und deswegen setzte ich Interpretationsmöglichkeiten bei Bedarf ein.

Was Sie sich vielleicht jetzt denken können, ist die Tatsache, daß ich diese gesamten Manipulationen bis hin zu einem ziemlich präzisen Entwurf, der sogar den möglichen Pinsel- oder Spachtelduktus berücksichtigt, mit dem Computer simuliere. Diese Entwürfe, an manchen habe ich weit mehr als 10 Jahre gearbeitet, sind im Endergebnis soweit optimiert, daß beim Malen selbst keine großen Unsicherheiten mehr aufkommen und deswegen der Farbauftrag in hoher Geschwindigkeit und mit heftiger Geste erfolgen kann. Durch die jeweilige Viskosität der Farbe und durch das verwendete Werkzeug, ob Spachtel, Maurerkelle, Brett, Schneeschieber oder Handfeger, ist der Farbe nicht nur ihr Farbton eigen, sondern eine Materiebeschaffenheit, die stumpf ist oder glänzend, lasierend oder reliefartig dick, Blasen reißt usw., aber bei aller explosiven Wildheit immer noch die, durch die Komposition vorgegebenen, Farbtöne und Flächenbegrenzungen respektiert. Und hierin liegt noch ein weiterer, unbewußt wahrzunehmender, Inhalt. Nämlich, daß dieser Duktus (völlig unabhängig davon, als was für eine Landschaft wir das Bild interpretieren) zeigt, daß eine aggressive Wildheit nicht ins Amorphe ausarten muß und umgekehrter Weise, daß eine klare Ordnung und eine präzise Planung nicht das Lebendige abtöten muß, also daß beide Seiten keine Antagonismen sind.

Sie haben vielleicht registriert, wieviele Aussagen mir inzwischen über die Lippen gekommen sind, die alle auf das Prinzip einer Synthese verweisen. Ob es, wie eben gesagt, der Kontrast von Wildheit und Ordnung ist, die Gleichzeitigkeit von abstrakt und landschaftlich oder die Auffassung der einzelnen Stile nicht nur als geschichtliche Epochen, sondern als etablierte Werkzeuge, die dem selbstbewußten Gebrauch zur Verfügung stehen (und es wäre doch für einen Handwerker auch unvorteilhaft, wenn er alle Probleme mit einem Werkzeug lösen will); doch insbesondere ist es mein Ziel, in die informelle Malerei Formen wieder einzuführen auf der Basis einer konstruktivistischen Idee, wobei diese Formen im Kontext zueinander mehr oder weniger erzählerischen Gehalt annehmen können. Und wenn das eine oder andere Bild auch noch Gefühle beim Rezipienten auslöst, nicht obwohl, sondern weil es intellektuell konzipiert ist, dann haben Sie auch noch diesen Zusammenhang.